Die genossenschaftliche Finanzgruppe 2022 – Genossenschaftsmodell hat Zukunft – damals wie heute
4 19 / 2022 Kreditwesen · Digitaler Sonderdruck zent. Auch der Einlagensatz wurde von minus 0,5 Prozent auf 0,0 Prozent ange- hoben. Eine zweite Leitzinserhöhung fand kürzlich im September statt. Der Hauptrefinanzierungssatz stieg um einen Dreiviertel-Prozentpunkt auf 1,25 Pro- zent, der Einlagensatz von 0,0 Prozent (für geparkte Gelder von Geschäftsban- ken bei der EZB) legte in gleicher Höhe auf 0,75 Prozentpunkte zu. Zwei Seiten der Zinswende Prinzipiell sind diese (von vielen schon lang herbeigesehnten) Schritte zu begrü- ßen. Schließlich treiben die höheren Zin- sen die Erträge der Banken in die Höhe und auch Kleinsparer können sich wieder über Zinsen auf ihren Tages- oder Fest- geldkonten freuen. Doch natürlich ver- fügt der Zinsbruch über zwei Seiten: Denn die höheren Margen dürften sich als sichtbare Effekte erst im Jahr 2023 ab- zeichnen. Zunächst hat der Zinsanstieg also erst einmal eine unangenehme Übergangsphase, besonders für kleinere Häuser. Und beispielsweise auch das Ge- schäft mit Verwahrentgelten, das im Fir- menkundengeschäft zuletzt eine durch- aus bedeutende Dimension erreicht hatte, kommt nun zum Erliegen. Darüber hinaus zeichnet sich bereits ab, dass die Inflation sich weiterhin auf ei - nem zu hohen Niveau bewegen wird. Da- her hat beispielsweise Bundesbank-Präsi- dent Joachim Nagel kürzlich weiteres Handeln von der EZB gefordert: „Und es müssen, [...] wenn das Inflationsbild so bleibt, weitere deutliche Schritte fol- gen“, so Nagel. Der Handlungsdruck auf die EZB bleibt also weiterhin hoch. Und das ist für die Behörde keine einfache Si- tuation. Denn sie befindet sich in dem Di - lemma, dass sie angesichts der wirtschaft- lichen Eintrübungen den Bogen auch nicht zu weit überspannen darf, um die Konjunktur nicht zusätzlich abzuwürgen. Viele Volkswirte befürchten daher, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession abrutschen wird. „Leider wird es immer wahrscheinlicher, dass wir eine Rezession bei gleichzeitig hoher Inflation durchma - chen werden“, erklärte hierzu kürzlich der Konjunkturexperte Guido Baldi vom Berliner Forschungsinstituts DIW. Die Lage bleibt also äußerst angespannt. Widerstandsfähigkeit der Genossenschaften Auch die Kreditgenossenschaften müssen sich auf diese Besonderheiten einstellen. Um beim Thema Energieversorgung zu bleiben: Auf den ersten Blick bestehen in einem Kreditinstitut mit Blick auf die Gasversorgung zwar keine direkten Ab- hängigkeiten. Doch neben der Weiterga- be von Preiserhöhungen gilt es auch, die indirekten Auswirkungen zu beachten. Die Zweitrundeneffekte wie Kurzarbeit, Transformationsrisiken oder der Wegfall des Geschäftsmodells treffen die Kunden der Bank und können langfristig zu stei- genden Kreditrisiken führen. Jede Ge- nossenschaft muss daher ihr eigenes Geschäftsmodell betrachten, ihre Unter- nehmenswerte und Prozesse identifizie - ren sowie bewerten und feststellen, ob diese ausreichend für den Ausfall der Gasversorgung geschützt sind. Die Genossenschaften haben sich in den vergangenen Jahrzehnten aber stets als widerstandsfähig erwiesen. Das wird auch in dieser Phase so sein. Zudem sind die Volks- und Raiffeisenbanken eng an der Seite des Mittelstands sowie der Menschen vor Ort und begleiten sie in al- len finanziellen Fragen – auch in unruhi - gen Zeiten. Und das zahlt sich aus: Schon seit vielen Jahren liegt der prozentuale Anteil von Unternehmensinsolvenzen bei Genossenschaften auf einem historischen Tiefststand von 0,1 Prozent. Das Insol- venzrisiko liegt somit um rund 60 Pro- zent unter dem eines durchschnittlichen Unternehmens. Dennoch rechnen vielen Bankvorstände mit Blick auf das Jahr 2023 mit einer zu- nehmenden Anzahl von Kreditausfällen sowie Insolvenzen. Hier wird erneut – so erst kürzlich während der Corona-Pande- mie bewiesen – die hohe Relevanz der guten und engen Beziehung zur Haus- bank deutlich. Und die Institute haben für diese Krisenzeiten (seit der Finanzkri- se 2007/08) kontinuierlich genügend Vor- sorge aufgebaut. Wenngleich also in diesen Zeiten die Banken mit Gewinn- rückgängen rechnen sollten: Das genos- senschaftliche System als solches bleibt weiterhin äußerst stabil. Dass das Genossenschaftsmodell schlicht- weg funktioniert und Zukunftspotenzial hat, wird aber auch glücklicherweise in der deutschen Bevölkerung erkannt. 65 Prozent der Deutschen kennen das ge- nossenschaftliche Prinzip, darunter sind 16 Prozent Mitglied einer Genossen- schaft. Das sind die Ergebnisse einer re- präsentativen Befragung zur Einstellung der Deutschen zu Genossenschaften, die die AWADO-Kommunikationsberatung im Auftrag des Genossenschaftsverbandes – Verband der Regionen Anfang Januar 2022 in Zusammenarbeit mit YouGov durchgeführt hat. Grundsätzlich besteht laut der Analyse die Bereitschaft in der Bevölkerung zu partizipieren, mitzuge- stalten und sich für die eigene Region stark zu machen. „Was einer allein nicht Glückwunsch an den BVR! „Jubiläen sind stets ein Anlass für eine selbstbewusste Rück- und Vorschau. Die Besinnung auf die eigene Geschichte, das Sich-vor-Augen-Halten der Gegen- wart und des eigenen Selbstverständ- nisses, die die Gestaltung der Zukunft beeinflussen und formen, vereinen sich mit einer Bilanz des Erreichten. Mit Fug und Recht kann der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisen- banken (BVR), der am 3. Januar 1972 in Bonn seine Arbeit aufnahm, stolz auf die vergangenen 50 Jahre seines erfolgrei- chen Wirkens als Interessenvertreter für die Genossenschaftsbanken in Deutsch- land zurückblicken. Hierfür gilt es, Dank und Anerkennung auszusprechen. In diesem Sinne wünschen wir dem BVR weiterhin eine erfolgreiche Arbeit.“ Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.
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