Trendstudie: Aufbruch in die WIR-Ökonomieoekonomie
16 auch lokaler, städtischer Autarkie mit gemeinschaftlichen Urban-Farming-Initiativen. Neben der „Verdörflichung“ der Stadt kommt es zu einer „Verstädterung“ des Landes. Im- mer mehr Menschen wünschen sich allerdings auch eine „entschleunigte“ Urbanität. Sie sehnen sich nach grünen, ländlichen, gemeinsam genutzten Räumen in der Stadt. Die Folge ist zum einen ein neuer Trend zu „Hyperlokalität“ in den großen Städten: Alltägliche Erledigungen werden in einem kleinen Radius um den eigenen Wohnort aus- geübt. In Folge der Coronapandemie gewinnt zum ande- ren das Land als sozialer Lebensraum an Attraktivität. Vor allem bei jüngeren Menschen wächst der Wunsch, aufs Land ins Grüne zu ziehen, auch weil dort die Wohnkos- ten niedriger sind (vgl. Verband der Privaten Bausparkas- sen 2021). Im Umland von Schwarmstädten steigen die Preise für Immobilien oft stärker als in den Metropolen selbst (vgl. Wiktorin 2021). Die Mehrheit der Deutschen lebt heute in ländlichen Re- gionen und Klein- und Mittelstädten. Über 40 Prozent le- ben in Orten mit weniger als 20.000, ca. 14 Prozent in Kommunen mit unter 5.000 Einwohner:innen (vgl. Sta- tistisches Bundesamt 2020). Dort ist längst eine „rurale Renaissance“ im Gang. So zeichnet der Bundeswettbe- werb „Unser Dorf hat Zukunft“ Dorfgemeinschaften aus, die sich für ein attraktives und vielfältiges Leben vor Ort einsetzen (vgl. BMEL 2021b). Zu den ausgezeichneten Projekten gehören Dorfläden, Gemeinschaftshäuser und Bürgerbusse, viele werden genossenschaftlich getragen. Genossenschaftlich betrieben werden darüber hinaus auch größere, mittelständische Unternehmen und Betriebe rund um die Themen Wohnen, Kita und Pflege. Individualisierung Individualisierung ist das zentrale Kulturprinzip unserer Zeit. Während persönliche Wahlfreiheiten und das Bedürfnis nach individueller Selbstbestimmung zunehmen, wird das Verhältnis von Ich und Wir neu ausgehandelt. Die Bedeu- tung neuer Gemeinschaften wächst, eine neue Wir-Kultur entsteht, die auf eine Verbindung von Individualisierung und Kooperation, einen „kooperativen Individualismus“ setzt. Diese Wir-Kultur wird die Struktur der vernetzten Gesellschaft prägen, in der Zugehörigkeit und Gemein- schaft wichtiger werden. Während der Coronapandemie wurden Werte wie Solidarität und Nachbarschaft wichti- ger. Angetrieben wird dieser Wertewandel durch die „Ge- neration Global“, die ein neues Verständnis von globaler Verantwortung und Solidarität mitbringt und dabei global und lokal neu austariert. Der Anstieg der Genossenschaf- ten in den letzten 20 Jahren (siehe Kapitel 3) ist ein Beleg für den anhaltenden Trend hin zu neuen Unterstützungs- und Gemeinschaftsformen der kooperativen Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Solidarität. Fazit Zu den wirkmächtigsten Megatrends für den ländlichen Raum gehören Konnektivität, Neo-Ökologie, Mobilität und Silver Society. Konnektivität betrifft alle Lebensbereiche – von der Bildung über medizinische Versorgung und Woh- nen bis hin zur Mobilität. Wenn Menschen zunehmend von zu Hause aus arbeiten können, wird Mobilität leichter, weil Pendlerwege entfallen, wodurch das Wohnen und Leben auf dem Land attraktiver und leistbarer wird. Das überge- ordnete Ziel ist, dass die Menschen vor Ort aktiver werden. Corona hat verschiedene Entwicklungen im Megatrend Neo-Ökologie beschleunigt, die sich bereits vor Ausbruch der Pandemie abzeichneten: Reshoring und Nearshoring, die Verlagerung von Produktion in heimische Regionen und die Fokussierung auf die Nähe zu Verbraucherinnen und Verbrauchern vor Ort bis hin zum Ausbau erneuer- barer Energien und zur Stärkung der regionalen Lebens- mittelversorgung. 6 Megatrends und die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft
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