Am 12. März war es wieder so weit: Der traditionsreiche Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende fand im Haus der DZ BANK statt. Trotz erschwerter Anreisebedingungen auf Grund verschiedener Streiks haben es diesmal mehr als 200 Gäste geschafft, der Einladung von DGRV und GdW nach Berlin zu folgen. Ein starkes Signal zu diesem zehnten Jubiläum des Kongresses und eindeutig Ausdruck des wachsenden Interesses für unsere mittlerweile 880 Energiegenossenschaften. Und nicht zuletzt auch für die politische Arbeit der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften.
In seiner Impulsrede erklärte Dr. Philipp Nimmermann (Staatssekretär im BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), dass Nachhaltigkeit auch in diesem Jahr das zentrale Thema für die Energie- und Wirtschaftspolitik sein werde. Im Zuge dessen hob er die besondere Bedeutung der Genossenschaften hervor: „Wenn wir über Genossenschaften sprechen, dann reden wir immer auch über das Thema Nachhaltigkeit – sie bildet die DNA von Genossenschaften“
Eine tragende Rolle schrieb Nimmermann den Genossenschaften insbesondere für die Wärmewende zu. Sie sei sehr wichtig, gleichzeitig aber auch eine große Herausforderung der Energiewende. Die Wärmewende funktioniere nicht ohne die Akzeptanz und Beteiligung der Menschen vor Ort. Hier kommen laut Nimmermann die Genossenschaften ins Spiel: „Auch Nahwärmenetze und Quartierslösungen werden ein wichtiger Baustein in der kommunalen Wärmeversorgung sein – dabei spielen Genossenschaften in Zukunft eine wichtige Rolle“, so der Staatsekretär.
Nimmermann betonte in diesem Zusammenhang, dass man neben der Förderung von Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in der Energiewirtschaft auch die soziale Dimension nicht vergessen dürfe und wies darauf hin, welche weiteren positiven Effekte für die Bürgerinnen und Bürger bereits spürbar seien: Gesunkene Strompreise und eine greifbare Wertschöpfung vor Ort. In diesem Sinne beendete er seinen Impuls mit einem optimistischen Blick in die Zukunft und rief die Genossenschaften zur weiteren Zusammenarbeit auf: „Ich freue mich, dass sie hier sind, um gemeinsam die die Energiewende weiter voranzutreiben“.
In der anschließenden Replik an den Staatsekretär lobte der Vorstand der EWS Elektrizitätswerke Schönau eG Sebastian Sladek zunächst die Arbeit des BMWK: Gerade in Sachen Bürokratieabbau hätte das Ministerium eine viel bessere Arbeit geleistet, als in der letzten Legislaturperiode. Allerdings sind die Genossenschaften momentan beim Ausbau von Wärmenetzen mit einem Finanzierungsproblem konfrontiert. So werden (Strom- und Wärme-)Netze von den Banken nicht als Sicherungsmittel akzeptiert und dies entwickele sich zum „Showstopper für die Wärmewende“, so Sladek.
Nimmermann verwies auf Förderprogramme des Bundes bzw. der KfW, räumte aber ein, dass gerade für kleine Akteure wie Genossenschaften diese Förderungen nicht ausreichen. Deshalb werde derzeit im BMWK diskutiert, ein Bürgschaftsprogramm oder etwas Vergleichbares aufzusetzen. Er appellierte aber auch an die Genossenschaftsbanken, bei der Finanzierung aktiv zu werden und die vorhandenen Programme zu nutzen.
Den zweiten Impuls des Tages lieferte Daniel Holstein aus dem Leitungsstab der Bundesnetzagentur (BNetzA). Er räumte ein, dass es aus Sicht der BNetzA vor allem drei Großbaustellen gebe, diese seien Netzanschlüsse, Netzentgelte und Netzausbau. Obwohl es in diesen Bereichen unter der aktuellen Regierung schon viele Fortschritte gegeben habe und es in vielen Bundesgebieten „durchaus rund laufe“, verschließe die BNetzA natürlich nicht die Augen vor vermehrten Beschwerden insbesondere zum Thema „verzögerte Netzanschlüsse“. Er betonte im Rahmen seines Impulses ebenfalls die essenzielle Bedeutung einer Angleichung der regional unterschiedlichen Netzentgelte, um die Finanzierung der Energiewende gerechter zu gestalten und somit auch die Akzeptanz in der Bevölkerung für Erneuerbare-Energie (EE)-Projekte zu garantieren. Sein Resümee an die genossenschaftliche Praxis: „Ich hoffe, sie haben gemerkt, dass auf den drei Großbaustellen Netzanschlüssen, Entgelte und Ausbau tatkräftig saniert wird und es zukünftig wieder mehr Freude machen wird, Anlagen zu installierten.
In den anschließenden Kommentaren aus der Praxis der Energiegenossenschaften wurden die Problemfelder Netzentgelte, Netzausbau und Netzanschluss für EE-Projekte sowie -Großspeicher für (genossenschaftliche) Projektierer und Energieversorgungsunternehmen erneut aufgegriffen. Eine klare Forderung von Prokon Regenerative Energien eG, BayWa r.e. und der Elektrizitätsgenossenschaft Wolkersdorf und Umgebung eG.: Der Netzausbau muss weiterhin stark vorangehen.
Obwohl Einigkeit darüber bestand, dass sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zu den Jahren davor bereits deutlich verbessert haben, bremsen aus der Sicht der Genossenschaften vor allem drei Barrieren den Ausbau aus: mangelndes Tempo durch übermäßige Bürokratie, mangelnde Vereinheitlichung und Digitalisierung der Netzanschlüsse und mangelnde Einheitlichkeit bzw. Fairness bei Netzentgelten.
Die Präsentationen alle Vortragenden finden Sie hier:
Auf dem traditionellen Politik-Panel diskutierten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
- Bengt Bergt (stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Energie, SPD-Bundestagsfraktion)
- Mark Helfrich (Fachsprecher für Energiepolitik, CDU/CSU-Bundestagsfraktion)
- Katrin Uhlig (Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie und Berichterstatterin für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Bundestagsfraktion)
- Michael Kruse (energiepolitischer Sprecher, FDP-Bundestagsfraktion)
- und Ralph Lenkert (Obmann im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, Gruppe Die Linke)
zu aktuellen Fragen der deutschen Energiepolitik. Im Rahmen der Diskussion wurde ein breites Spektrum an Themen besprochen, wobei ein besonderes Interesse der Energiegenossenschaften dem noch immer ausstehenden Solarpaket I galt. Bei konkreten Aussagen zum Solarpaket hielten sich alle auf dem Podium auf Grund laufender Verhandlungen zurück. Bergt nannte als Stoßrichtung, dass die „Re-Europäisierung“ für ihn Priorität habe. Aus dem Kontext seines Statements ließ sich darauf schließen, dass damit Maßnahmen gemeint sind, wie beispielsweise für die Solarindustrie in Europa wettbewerbliche Bedingungen zu schaffen, damit diese weiter produzieren kann oder Produktion wieder aufgebaut wird (wie etwa durch die Einführung von Resilienz- Ausschreibungen oder Unterstützung durch Resilienz-Boni). Helfrich griff das Thema bundeseinheitliche Bürgerbeteiligung auf: ein Flickenteppich sei schädlich und es spräche einiges für eine Vereinheitlichung auf Bundesebene. Dem schloss sich Uhlig grundsätzlich an, doch der Teufel stecke hier für sie im Detail. Den GRÜNEN sei zudem Energy Sharing sehr wichtig und Uhlig hob positiv hervor, dass mit der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung das „kleine“ Energy Sharing eingeführt werden soll. Kruse forderte mehr Wettbewerb beim EE-Ausbau. Die zukünftige finanzielle Förderung von Erneuerbaren solle eher auf eine langfristige Umstellung auf Investitionsförderung ausgerichtet werden, so Kruse. Sein Eindruck sei, dass der Wettbewerb in vielen Bereichen bereits funktioniere, so dass es nur folgerichtig sei, Förderungen nach dem aktuellen EEG zeitnah auslaufen zu lassen. Dem widersprach Lenkert: eine Förderung sei weiterhin notwendig. Es solle eine Mindest- und eine Maximalförderung geben. Zudem fehle bisher eine Regelung zur Sicherung von Wertschöpfungsketten und eine faire Verteilung von Netzentgelten.
Einigkeit bestand auf dem Panel trotz mancher unterschiedlicher Standpunkte darin, dass das Solarpaket dringend auf den Weg gebracht werden muss und – damit einhergehend – auch der Ausbau erneuerbarer Energien gemeinsam mit den Bürger:innen weiter forciert wird – gerade auch beim Thema Wärme im ländlichen Raum. In der Diskussion mit dem Publikum wurde zudem deutlich, wie wichtig eine zeitnahe Umsetzung von Energy Sharing für die Genossenschaften ist. Weitere Diskussionspunkte waren die Forderung nach einem bundeseinheitlichen Gesetz für echte Bürgerbeteiligung und einer sinnvollen Biomassestrategie.
Das Programm wurde abgerundet mit Panels zu zwei sehr wichtigen energiepolitischen Themen in diesem Jahr: Im ersten der beiden Panels haben Daniel Fürstenwerth (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), Nicolai Ferchl (Vorstand, HEG Heidelberger Energiegenossenschaft eG) und Ringo Lottig (Vorstandsvorsitzender Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft eG) die Vorteile und Herausforderungen der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung – besonders auch in Abgrenzung zu ähnlichen Modellen wie dem Mieterstrom – diskutiert. Das Resümee des Panels war vorsichtig optimistisch – oder wie es Fuerstenwerth formulierte: „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist ein erster Schritt in Richtung Energy Sharing“ und damit ein wichtiger Fortschritt für die Energiegenossenschaften.
Im zweiten Panel beschäftigen sich Bernhard Herrmann (Berichterstatter für das Kommunale Wärmeplanungsgesetz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Bundestagsfraktion), Anselm Laube, (Geschäftsführer, Energieagentur Kreis Ludwigsburg), Susanne Schmelcher (Leiterin Quartier & Stadt, Deutsche Energie-Agentur) und Bastian Hoffmann (Vorstand, IngenieurNetzwerk Energie eG) mit der Frage, welchen Beitrag Genossenschaften zur Wärmewende leisten können und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssten. In seinem Impuls betonte Herrmann, dass zunächst Sensibilität und Offenheit der Verantwortlichen der kommunalen Wärmeplanung gefragt seien und diese die Genossenschaften im Blick haben müssen. Dem stimmten die Teilnehmenden des Panels zu. Sie waren sich trotz unterschiedlicher Positionen zur konkreten Umsetzung einig: Genossenschaften haben insbesondere in ländlichen Gebieten das Potenzial, eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung zu spielen. Als Voraussetzung dafür brauche es neben den passenden gesetzlichen Rahmenbedingungen und finanzieller Förderung besonders auch Unterstützungsangebote für die Professionalisierung der Akteure. Zur Wärmewende mit Genossenschaften hat die Bundesgeschäftsstelle ein aktuelles Positionspapier veröffentlicht und im Zuge dieses Panels präsentiert.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf der Bühne, dem Publikum und insbesondere auch bei unseren Veranstaltungspartnern.
Mehr Bilder vom diesjährigen Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende & Jahresempfang der deutschen Genossenschaften finden Sie hier.
Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende – So war es 2024 – DGRV