Bundestag und Bundesrat haben am 26. April 2024 das Solarpaket I (Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung) verabschiedet. Gegenüber dem ersten Entwurf des Solarpakets I vom 9. Oktober 2023 wurden insbesondere Regelungen für die Gemeinschaftsversorgung mit Solarstrom, naturschutzfachliche Mindestanforderungen bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA), Erleichterungen im Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen (WEA), zur Batteriespeicherung und für deutschlandweit einheitliche technische Anschlussbedingungen ergänzt.
Allerdings fehlt es weiterhin an den Regelungen zum Energy Sharing. Hierzu enthält das finale Gesetz zumindest einen Entschließungsantrag, in dem der Bundestag die Bundesregierung auffordert, einen Gesetzesentwurf zur Einführung von Energy Sharing vorzulegen. Bei der Duldungspflicht für die Verlegung von Leitungen kam es entgegen dem ursprünglichen Vorschlag zu einer Verschlechterung und gilt nur für Flächen der öffentlichen Hand. Bis auf viele kleine Verbesserungen ist die positivste Neuerung für Energiegenossenschaften und ihre Geschäftstätigkeiten die Erhöhung der Vergütung für mittelgroße PV-Dachanlagen auf insbesondere Gewerbedächern.
Hiermit wurde auch eine jahrelange Forderung der Bundesgeschäftsstelle erfolgreich eingeführt. Das Gesetzespaket trat am 16. Mai 2024 in Kraft. Für vergütungsrechtliche Neuerungen (Absenkung der Ausschreibungsgrenze für PV-Dachanlagen und Erhöhung des Ausschreibungsvolumens, §§ 22 Abs. 3, 28b Abs. 2 EEG; maximale Gebotsgrenze von 50 MW bei der PV-FFA, § 37 Abs. 3 EEG; Erhöhung des Höchstwertes für besondere PV-FFA, § 37b Abs. 2 EEG; neues Zuschlagsverfahren für besondere PV-FFA, § 37d EEG; vereinfachter Modultausch/Repowering, §§ 38h, 48 Abs. 4 S. 2 EEG; Verlängerung der Realisierungsfristen in den Biomethanausschreibungen, §§ 39j, 55 Abs. 4a, 100 Abs. 36 EEG; Erhöhung der Vergütung für besondere PV-FFA < 1 MW, § 48 Abs. 1b EEG; höherer Vergütungssatz für mittelgroße PV-Dachanlagen, § 48 Abs. 2 EEG; Anpassung der Festlegungskompetenz der BNetzA, § 85a Abs. 1 EEG) bedarf es zusätzlich noch der beihilferechtlichen Genehmigung, sodass diese erst später ihre Wirkung entfalten können. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Aspekte, die gegenüber dem Gesetzesentwurf vom Oktober letzten Jahres neu eingeführt werden oder sich verändert haben. (Für die älteren Neuerungen vom 18. August 2023 (Kabinettsentwurf)/9. Oktober 2023 sei auf diesen Artikel verwiesen.)
Zu den wichtigsten Neuerungen gehören:
1. Nachbesserung bei Ausnahmeregelung für Bürgerenergiegesellschaften
2. PV-Dachanlagen, insbesondere erhöhte Fördersätze, gemeinschaftliche
Gebäudeversorgung und Mieterstrom
3. PV-FFA, insbesondere Duldungspflicht, naturschutzfachliche Mindestanforderungen
4. Unkomplizierte Nutzung von Steckersolargeräten (sog. Balkonmodule)
5. Speicher
6. Erleichterungen im Genehmigungsverfahren von WEA an Land
7. Viele kleine, aber wichtige Neuerungen bei der Biomasse
8. Erleichterungen beim Anlagenzertifikat
Nachbesserung bei Ausnahmeregelung für Bürgerenergiegesellschaften
Für Bürgerenergiegesellschaften (BEG) gibt es eine Ausnahme von Ausschreibungen für die Umsetzung von PV-Freiflächenanlagen und Windkraftanlagen. Aufgrund der bestehenden Regelungen zur Anlagenzusammenfassung waren Bürgerenergie-Projekte in gewissen Fallkonstellationen weiterhin zur Ausschreibungsteilnahme verpflichtet. Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle nachgesteuert, sodass zukünftig nur noch Anlagen von BEG zusammengefasst werden, § 24 Abs. 2 S. 2 EEG.
Windenergieanlagen von BEG, die vor dem 1. Januar 2025 in Betrieb gehen, erhalten den Durchschnittspreis aus den Ausschreibungsrunden des Jahres 2023 und nicht aus 2022,
§ 100 Abs. 35 EEG. Damit können BEG auch an den höheren Ausschreibungsergebnissen partizipieren.
PV-Dachanlagen, gemeinschaftliche Gebäudeversorgung & Mieterstrom
Mit der Beschlussfassung des Bundestags wird die Einspeisevergütung für gewerbliche PV-Dachanlagen bis 750/1.000 kW um 1,5 Cent je Kilowattstunde angehoben, § 48 Abs. 2 EEG. Genauer erhöht sich der Vergütungssatz für die Überschusseinspeisung zwischen 40-750/1.000 kW auf 7,64 ct/kWh, § 48 Abs. 2 Nr. 3 EEG. Indirekt erhöht sich damit auch der Vergütungssatz für die Volleinspeisung für diese Anlagengröße, weil sich der Vergütungssatz für die Volleinspeisung gemäß § 48 Abs. 2a EEG aus dem Vergütungssatz für die Überschusseinspeisung in Abs. 2 – erhöht um die Vergütungssätze aus Abs. 2a – ergibt. PV-Dachprojekte über 750 kW müssen sich allerdings künftig wieder an Ausschreibungen beteiligen, § 22 Abs. 3 EEG. Gemäß § 100 Abs. 39 EEG greift diese Regelung jedoch erst mit einer Übergangsfrist von 12 Monaten. Im Gegenzug für die Verringerung der Ausschreibungsgrenze von zuvor einem Megawatt werden die jährlichen Ausschreibungsmengen erhöht, § 28b Abs. 2 EEG.
Damit Haushalte in Mehrfamilienhäusern günstigeren Solarstrom von Dächern, Garagen oder Batteriespeichern direkt nutzen können, wird das neue Instrument der „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ eingeführt (Legaldefinition von Gebäude, § 3 Nr. 20a EnWG, Legaldefinition von Gebäudestromanlage, § 3 Nr. 20b EnWG). Damit wird eine unkomplizierte Möglichkeit zur Eigenversorgung hinter dem Netzanschlusspunkt in Mehrpersonenverhältnissen durch dieselbe PV-Anlage geschaffen, § 42b EnWG. Über die Aufteilung der Strommengen können der Anlagenbetreiber/Gebäudestromversorger und die Letztverbraucher frei entscheiden. Dafür kann zukünftig neben dem Reststromliefervertrag ein weiterer Gebäudestromnutzungsvertrag über den PV-Strom abgeschlossen werden. Dieses Konzept steht neben dem Mieterstrom. Es erhält aber, anders als der Mieterstrom, keine separate Vergütung. Dafür muss der Anlagenbetreiber/Gebäudestromversorger weniger energiewirtschaftliche Rechte und Pflichten als bei einer regulären Stromlieferung einhalten. Auch Stromspeicher sollen in das Konzept eingebunden werden dürfen.
Mieterstrom wird in Zukunft auch auf Gewerbegebäuden und Nebenanlagen wie Garagen gefördert, wenn der dort erzeugte Strom vor Ort verbraucht wird – also ohne Netzdurchleitung, § 21 Abs. 3 EEG.
Ein langes Ärgernis bei PV-Volleinspeiseanlagen war, dass der zuständige Grundversorger den Anlagenbetreiber zwang, einen Grundversorgerstromliefervertrag für einen Jahresstromverbrauch von ein paar kWh für den Wechselrichter abzuschließen. Dies wurde nun geändert: Geringfügiger Stromverbrauch von Wechselrichtern bei der Volleinspeisung von PV-Anlagen bis 100 kWp können unter bestimmten Voraussetzungen zukünftig über den Stromliefervertrag des Hausanschlusses mit abgerechnet werden, § 10c EEG.
Die Weiterleitung des Marktwertes für ausgeförderte Anlagen wird bis 2032 verlängert, § 25 Abs. 2 EEG.
Das Anlagensplitting von Überschuss- und Volleinspeise-PV-Dachanlagen hinter dem Netzanschlusspunkt ist zukünftig auch auf verschiedenen Gebäuden möglich, § 48 Abs. 2a S.2 EEG.
Bisher sind Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 100 Kilowatt (kW) zur Direktvermarktung verpflichtet. Das ändert sich: Die Anlagenbetreiber von PV-Anlagen bis 200kWp/400kWp können ihre Überschussmengen künftig ohne Vergütung, aber auch ohne Direktvermarktungskosten an die Netzbetreiber weitergeben, §§ 3 Nr. 46a, 21 Abs. 1, 100 Abs. 18 EEG (sog. unentgeltliche Abnahme). Davon profitieren vor allem Anlagenbetreiber mit sehr hohem Eigenverbrauch. Die neue unbürokratische Regelung soll sie motivieren, mehr PV auf großen Dächern zu installieren.
PV-FFA, insbesondere Duldungspflicht und naturschutzfachliche Mindestanforderungen
Bei der Duldungspflicht für die Verlegung von Leitungen bei PV-FFA und WEA an Land kam es entgegen dem ursprünglichen Vorschlag zu einer Verschlechterung. Zudem gilt sie nur noch für Flächen der öffentlichen Hand, §§ 11a, 11b EEG. Damit verliert diese Regelung deutlich an Substanz.
Für neue PV-Freiflächenanlagen werden fünf Naturschutz-Mindestkriterien eingeführt, von denen Betreiber mindestens drei einhalten müssen, §§ 37 Abs. 1a, 48 Abs. 6 EEG. Hierzu zählen 1. die Inanspruchnahme von höchstens 60 % der Grundfläche für die PV-Module, 2. ein biodiversitätsförderndes Pflegekonzept am Boden, 3. Durchgängigkeit für Tiere, 4. Schaffung von Biotopelementen auf mindestens 10 % der Anlagenfläche und 5. bodenschonender Betrieb der Anlage (wie z. B. Verbot von Düngemitteln). Im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens wurden im Gegenzug alle Regelungen zu Biodiversitätsanlagen und zum ursprünglich geplanten Bonus für extensive Agri-PV gestrichen.
Die maximal mögliche gebotene Anlagengröße in PV-FFA-Ausschreibungen steigt wieder von 20 auf 50 MW, § 37 Abs. 3 EEG.
Die Festlegungskompetenz der Bundesnetzagentur bei der Höchstwerterhöhung wird von 25 % auf 15 % bei PV und Wind an Land abgesenkt, § 85a Abs. 1 EEG.
Um die Entwicklung und den Bau innovativer PV-FFA (sog. besondere PV-FFA) zu fördern, hat die Bundesregierung das Zuschlagsverfahren für diese PV-FFA angepasst, § 37d EEG. Zu den besonderen PV-FFA gehören horizontale und vertikale Agri-PV-Anlagen, Floating-PV, PV-Anlagen auf Moorgebieten und als Parkplatzüberdachungen. Das Zuschlagsverfahren ist zukünftig mehrstufig. Zuerst bezuschlagt die BNetzA die Parkplatz-PV-Gebote, anschließend die restlichen besonderen PV-FFA-Gebote und zuletzt die restlichen PV-FFA-Gebote. Dadurch haben die Parkplatz-PV-Gebote bzw. die restlichen besonderen PV-FFA-Gebote eine höhere Zuschlagswahrscheinlichkeit und können aufgrund ihrer höheren Kostenstruktur auch eher realisiert werden. Das Ausschreibungsvolumen für diese besonderen Anlagen startet in 2024 mit 300 MW und steigt jährlich bis 2029 auf 2.075 MW. Für die besonderen PV-FFA erhöht sich der Höchstwert in 2024 auf 9,5 ct/kWh. Ab 2025 bildet sich dieser aus einem Durchschnittswert plus 8 %, § 37b.
Unkomplizierte Nutzung von Balkonmodulen
Die Inbetriebnahme von Photovoltaik-Anlagen auf dem Balkon, d. h. Steckersolargeräte gemäß § 3 Nr. 43 EEG bzw. sogenannte Balkonmodule, wird für Bürgerinnen und Bürger deutlich einfacher und damit auch schneller möglich. Balkonmodule sollen möglichst unkompliziert in Betrieb genommen werden.
Die Bundesnetzagentur hat die Registrierung von Balkonkraftwerken bereits zum 1. April vereinfacht und auf wenige, einfach einzugebende Daten beschränkt. Die vorherige Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt. Die Bundesnetzagentur informiert diesen automatisch über das Balkonkraftwerk, das neu an sein Netz angeschlossen wurde, § 8 Abs. 5a EEG.
Digitale Stromzähler sind nun nicht mehr notwendig, § 9 Abs. 1 EEG, es können leistungsfähigere Solarstromanlagen installiert werden und auch der einfache Anschluss über die Steckdose ist möglich.
Speicher
Neben der Aufnahme von Speichern in die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist die größte positive Neuerung für Speicher die Aufweichung des Ausschließlichkeitsprinzips, § 19 Abs. 3, 3a, 3b EEG. Damit werden erste Schritte zu einer netzdienlichen Nutzung von Speichern getan.
Erleichterungen im Genehmigungsverfahren von WEA an Land
Auch für die Windenergie an Land gab es die negative Begrenzung der Duldungspflicht auf öffentliche Verkehrswege im parlamentarischen Verfahren, §§ 11a, 11b EEG. Zwei sehr positive Neuerungen sind zum einen die einjährige Verlängerung der EU-Notfallverordnung und damit von § 6 Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) sowie die rechtzeitige Einführung von § 6a WindBG. Durch Letzteres werden bestehende Windenergiegebiete als Beschleunigungsgebiete im Sinne der Erneuerbare-Energien- Richtlinie anerkannt. Beides erleichtert Genehmigungsverfahren.
Viele kleine, aber wichtige Neuerungen bei der Biomasse
In der Biomasse werden leider keine weitreichenden Maßnahmen ergriffen (z. B. Erhöhung der Ausschreibungsvolumina und Höchstwerte, um den Biomasseanlagenbestand zu erhalten). Es gibt lediglich viele kleine, aber dafür positive Neuerungen:
- die Mindestverweildauer von Gärsubstraten im gasdichten System wurde abgeschafft, §§ 9 Abs. 5, 100 Abs. 1a Nr. 4 EEG
- das Biomasseausschreibevolumen erhöht sich um nicht in Anspruch genommene Volumina aus den Biomethanausschreibungen, § 28c Abs. 3 Nr. 1 EEG
- die Südquote bei den Biomasseausschreibungen wird befristet ausgesetzt, § 100 Abs. 37 EEG
- die Biomethanausschreibungen werden befristet deutschlandweit ausgeweitet, § 100 Abs. 37 EEG
- die 75 kW Bestandsgülleanlagen können ihre installierte Leistung auf 150 kW erhöhen, § 100 Abs. 38 EEG
- die Festlegungskompetenz der Bundesnetzagentur bei der Höchstwerterhöhung wird von 10 % auf 15 % bei der Biomasse erhöht, § 85a Abs. 1 EEG
Erleichterungen beim Anlagenzertifikaten
Auch bei den Anlagenzertifikaten gibt es für Anlagen mit einer geringeren Einspeiseleistung eine Lockerung. Künftig reicht für Anlagen mit einer Einspeiseleistung von bis zu 270 kW bzw. einer installierten Anlagenleistung von 500 kW ein einfaches Einheitenzertifikat aus. Bisher lag die Grenze bei 135 kW. Das spart den Anlagenbetreibenden den langwierigen Prozess für aufwendige Zertifikate zum Nachweis der Erfüllung der Vorgaben des netzbetreibenden Unternehmens.
Die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV hat sich u. a. mit einer Stellungnahme und durch die Teilnahme am zweiten Solargipfel in den Prozess eingebracht und wird sich auch weiterhin im Interesse der Energiegenossenschaften intensiv in die weiteren Gesetzgebungsprozesse zur Photovoltaik bzw. den anderen erneuerbaren Energien einbringen. Dabei ist vor allem die Umsetzung der Forderung „Erhöhung der Vergütungssätze von PV-Dachanlagen in der Überschusseinspeisung“ im Solarpaket I hervorzuheben. Der weitere Fokus der politischen Arbeit der Bundesgeschäftsstelle und der genossenschaftlichen Regionalverbände wird dabei auf der schnellstmöglichen Umsetzung des Vorschlags zur Einführung von Energy Sharing in Deutschland und der Streichung der Projektbeschränkung bei BEG-Projekten liegen.
Für ausführlichere Inhalte verweisen wir auf das Video und die Folien zum 2. Bericht aus Berlin zum finalen Solarpaket I der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV. Solarpaket I ist in Kraft getreten – DGRV_