Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck hat im Rahmen des zweiten Photovoltaik (PV)-Gipfels eine umfassende PV-Strategie vorgelegt. Ziel ist es, den Ausbau der Solarenergie in Deutschland erheblich zu beschleunigen. In den vergangenen Monaten hat die Bundesregierung schon zahlreiche Maßnahmen für alle Technologien auf den Weg gebracht, darunter die Anhebung der Ausschreibungsmengen, die Anpassung der Vergütungssätze und die Beseitigung regulatorischer Hürden.
Die PV-Strategie nimmt nun verbleibende Hemmnisse in den Fokus. Dazu benennt die Strategie Maßnahmen in insgesamt elf Handlungsfeldern. Das Spektrum reicht von Maßnahmen im Bereich der Energiepolitik bis hin zu den Themen Fachkräftesicherung, industrielle Wertschöpfung in Europa und Technologieentwicklung. Vorausgegangen war eine Konsultation der PV-Strategie, zu der auch die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften eine Stellungnahme abgegeben hat. Beim zweiten PV-Gipfel rief Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die wichtigen Branchenvertreter*inne zusammen und diskutierte mit ihnen die geplanten Maßnahmen. Dr. Andreas Wieg, Leiter der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV, vertrat dabei die Interessen der Energiegenossenschaften und wies insbesondere auf die dringend erforderliche Umsetzung des Energy Sharing in Deutschland hin.
Ein Teil der Maßnahmen soll im Rahmen des sogenannten „Solarpaket I“ noch vor der Sommerpause ins Kabinett. Weitere Maßnahmen, die zum Teil noch größerer Vorarbeiten bedürfen, sollen in einem zweiten Solarpaket folgen. Darin könnte das Energy Sharing Bestandteil sein, das Ministerium möchte dazu einen Diskussionsprozess im 2. Halbjahr 2023 anstoßen.
Handlungsfelder der PV-Strategie
Freiflächenanlagen: Ab 2026 soll der Zubau an PV-Freiflächenanlagen auf 11 Gigawatt (GW) pro Jahr steigen. Dafür müssen ausreichend Flächen zur Verfügung stehen und Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller werden. Hierfür sieht die PV-Strategie unter anderem eine Erleichterung der Bebauung von benachteiligten und ertragsschwachen Gebieten vor. Während die Länder in der Vergangenheit festlegen konnten, ob und in welchem Umfang diese Gebiete für über das EEG geförderte Anlagen geöffnet werden, sollen diese Flächen zukünftig grundsätzlich für EEG-Ausschreibungen zur Verfügung stehen, sodass die Länder explizit angeben müssen, wenn eine benachteiligte Fläche nicht oder nur beschränkt an Ausschreibungen teilnehmen darf. Nachdem PV-Freiflächenanlagen auf benachteiligten Gebieten in der Vergangenheit nur über Ausschreibungen vergeben wurden, sollen nun auch Anlagen mit weniger als 1 Megawatt (MW) und im Falle der Bürgerenergiegesellschaften Anlagen kleiner als 6 MW zugelassen werden. Zudem sollen innovative Konzepte wie Agri-PV gefördert werden, um Flächenkonkurrenzen vorzubeugen.
Dachanlagen: Auch im Bereich der PV-Dachanlagen enthält die Strategie Verbesserungen und Vereinfachungen. Das Repowering soll zukünftig auch für Dachanlagen möglich gemacht werden, so dass alte Module ausgetauscht werden können. PV-Anlagen auf Dächern von Nichtwohngebäuden außerhalb von bewohnten Orten wurden seit dem Jahr 2012 mit dem geringeren Satz für Freiflächenanlagen vergütet, nachdem zunehmend Gebäude für die Installation von PV-Dachanlagen errichtet wurden (sogenannte „Solarstadl“). Um auch Dachflächen verstärkt für den PV-Ausbau zu nutzen, werden Gebäude in Außenbereichen, die vor dem 1. März 2023 gebaut wurden, wieder für die Vergütung als Dachanlage zugelassen. Auch im Bereich der Dachanlagen sollen ab 2026 pro Jahr 11 GW zugebaut werden.
Mieterstrom und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung: Die Dächer von Mehrfamilienhäusern werden heute viel zu wenig für PV genutzt. Um das zu ändern, wird das BMWK ein neues Modell zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung einführen, für das sich die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften stark eingesetzt hat. Dafür sollen die Strommengen einer PV-Dachanlage auf einem Mehrparteienhaus den Haushalten unter Nutzung eines intelligenten Messsystems anteilig zugerechnet und mit den Netzbezugsmengen verrechnet werden können. Hervorzuheben ist bei diesem Modell, dass die Betreibenden der PV-Anlage keinen Stromlieferantenpflichten unterliegen. Darüber hinaus wurde das bestehende Mieterstrommodell verbessert. Der bürokratische Aufwand für die Nutzung und Vermarktung des Stroms soll verringert werden. Dafür ist unter anderem eine Anpassung der Anlagenzusammenfassung und steuerliche Erleichterungen geplant. Außerdem soll das Modell auf benachbarte Nichtwohngebäude und reine Gewerbegebiete ausgeweitet werden. Damit wird die Vor-Ort-Nutzung von Solarstrom für alle Parteien im Haus ermöglicht.
Balkon-PV: Das BMWK möchte, dass Balkon-PV von allen einfach genutzt werden kann. Dazu soll Bürokratie entfallen und die Anlagen sollen schnell angeschlossen werden können.
Netzanschlüsse: Die Netzanschlüsse sowohl von Freiflächenanlagen als auch von Dachanlagen sollen deutlich beschleunigt und vereinfacht werden. Für Freiflächenanlagen ist die Einführung eines Wegenutzungsrechts für Anschlussleitungen geplant. Demnach soll die Verlegung und der Betrieb von Anschlussleitungen für Erneuerbare-Energien-Anlagen gegen Entschädigung ermöglicht werden – wie es auch für Breitband- und Stromnetzausbau üblich ist. Bei der Installation von PV-Dachanlagen wird die Verkürzung der Frist für den Zählertausch in Aussicht gestellt. Um den Anschluss zu beschleunigen, soll zudem ein Anlagenzertifikat erst ab einer Einspeiseleistung von 270 Kilowatt (kW) oder einer installierten Leistung von mehr als 500 kW erforderlich sein, womit unterhalb dieser Schwellen ein einfacher Nachweis über Einheitenzertifikate ausreichen würde.
Akzeptanz: Das BMWK möchte die Teilhabe stärken. Themen sind hier u.a. die finanzielle Beteiligung der Kommunen und einfache Regeln für die Bürgerenergie.
Steuerrecht: Der Abbau steuerrechtlicher Hürden ist wichtig für den Hochlauf der PV. Ob z.B. bei der Gewerbe- oder der Erbschaftssteuer, das BMWK setzt sich für weitere Verbesserungen für die PV ein.
Industrie: Das BMWK will in Deutschland und Europa industrielle Produktionskapazitäten für die ganze Wertschöpfungskette aufbauen, so dass die steigende Nachfrage maßgeblich aus heimischer Produktion gedeckt werden kann.
Fachkräfte: Das BMWK will die Zahl der Fachkräfte zur Herstellung, Planung, Installation und Wartung von PV-Anlagen steigern, u.a. durch eine Zunahme von Ausbildungsangeboten und Fortbildungen.
Technologieentwicklung: Das BMWK will die Technologieentwicklung entlang der gesamten Wertschöpfungskette voranbringen, u.a. im Rahmen des kommenden achten Energieforschungsprogramms.
Europäischer Rahmen: Prozesse und Vorgaben der EU bestimmen zunehmend die rechtlichen Rahmenbedingungen im Energiebereich. Das BMWK will den schnelleren PV-Ausbau daher auch europäisch vorantreiben, etwa mit der EU-Strategie für Solarenergie und im Rahmen des „Fit for 55“-Paketes.
Solarpaket II
Nach Abschluss des Gesetzgebungsprozesses ist für die zweite Jahreshälfte ein zweites Solarpaket geplant. Das Förderprogramm für Bürgerenergieakteure bei der Planung von Windprojekten könnte im Rahmen des zweiten Solarpakets auf PV-Freiflächenanlagen ausgeweitet werden. Diese Erweiterung des Förderprogramms ist zu begrüßen und sollte schnellstmöglich umgesetzt werden, da sie kleinere Akteure vor Ort gegen die Risiken in der Anfangsphase großer Projekte absichert und so den Ausbau von Erneuerbare-Energien-Projekten in Bürgerhand vorantreibt. In diesem Zusammenhang ist auch die Übertragung der Anforderungen der EU zum Energy Sharing zu nennen, was das Teilen von Strom über das öffentliche Netz ermöglichen soll. Unter Beteiligung der Bundesnetzagentur wird das BMWK dafür eine Diskussion mit den Stakeholdern anstoßen. Bereits seit vielen Jahren setzen wir uns für eine gemeinschaftliche Nutzung von lokal erzeugtem Strom ein. Zuletzt wurde dazu gemeinsam mit dem Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), dem Bündnis Bürgerenergie (BBEn) und anderen Partnern ein Eckpunkte-Papier für eine energiewirtschaftlich sinnvolle Ausgestaltung dieses akzeptanz- und teilhabefördernden Modells in Deutschland veröffentlicht.
Weitere Gespräche mit der Branche soll es zu PV-Dachanlagen geben, die einen geringen Strombezug haben und zum jetzigen Zeitpunkt einen eigenen Stromliefervertrag benötigen.
Angegangen werden soll auch die Problematik rund um die Zuordnung von Freiflächen mit PV-Anlagen zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen. Die gewerbesteuerliche Infizierung der Vermietungseinkünfte durch Lieferung von Strom soll verhindert werden. Darüber hinaus ist geplant, die technischen Anschlussbedingungen der 870 Verteilnetzbetreibenden zu vereinheitlichen.