Wie man sichere digitale Identitäten schaffen, sichern und verwalten kann – für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung: Das ist nicht nur ein wichtiges Thema für die Europäische Union, sondern auch für Deutschland. Denn immer mehr Geschäftsbeziehungen zwischen Bürgern, Verbrauchern, Unternehmen und Verwaltungen finden im Netz statt. Sie lösen den persönlichen Kontakt oder Ausweisdokumente in Papierform wie Führerscheine oder Handelsregisterauszüge ab. Mit zunehmender Geschwindigkeit der Digitalisierung stellt sich jedoch die Frage: Woher weiß ich, dass ich gerade mit einer echten Person oder einem echten Unternehmen in Kontakt trete, mit der oder dem ich online Geschäftsbeziehungen aufnehmen möchte? Wie kann ich mich also als Bürger, Unternehmen oder Verwaltung vor Cyberangriffen, Betrug und Fälschungen im Netz schützen?
Die Genossenschaft IDunion SCE
Zur Beantwortung dieser Fragen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vor vier Jahren ein Forschungsprojekt mit dem Namen „Schaufenster – Sichere Digitale Identitäten“ ausgeschrieben. Hier hat unter anderem auch ein Konsortium aus Universitäten, Technologieanbietern und Industrieunternehmen den Zuschlag bekommen, aus dem im Jahr 2022 die Europäische Genossenschaft IDunion SCE hervorgegangen ist.
Ziel des Forschungsprojekts, das noch bis Ende des Jahres läuft, ist es, fälschungssichere digitale Identitäten, also Echtheitszertifikate, für Wirtschaft und Gesellschaft in zahlreichen Anwendungsfällen zu entwickeln. Dafür wurde ein dezentrales Netzwerk als digitale Infrastruktur geschaffen, mit der Behauptungen über eine Online-Identität sicher, datensparsam und DSGVO-konform überprüft werden können. Davon profitieren jetzt auch die zwölf Mitglieder der Genossenschaft. Sie betreiben in ihrer Genossenschaft IDunion SCE jeweils einen eigenen Server. Das Netzwerk, das durch die Verbindung dieser verschiedenen Server entsteht, wird allen Mitgliedsunternehmen wiederum für ihre Anwendungsfälle zur Verfügung gestellt: zum Beispiel für die Nachverfolgung des CO2-Fußabdrucks von Produkten entlang globaler Lieferketten oder papierlose Prüfungen von Arbeitskräften auf Baustellen.
Zu den Mitgliedern gehören auf Digitale Identitäten spezialisierte Technologie-Startups und große Industriekonzerne, die innerhalb der Genossenschaft aktiv zusammenarbeiten, um das Netzwerk weiterzuentwickeln und an globale Standards anzugleichen. Sie können so im geschützten Raum mit sicheren digitalen Identitäten für und mit ihren Kunden agieren, sich aber auch als Wirtschaftsunternehmen untereinander vernetzen und austauschen. Dabei behalten sie jederzeit die Hoheit und Kontrolle über ihre eigenen Unternehmensdaten.
Warum das genossenschaftliche Modell überzeugt
Diese Möglichkeit der Vernetzung sei einer der entscheidenden Vorteile des genossenschaftlichen Modells, hebt Christian Klugow, Mitglied der Geschäftsleitung der Genossenschaft, hervor. Zusammen mit Professor Dr. Markus Büch führt er seit 2022 die Geschäfte der europäischen Genossenschaft: „Die genossenschaftliche Rechtsform bietet unseren Mitgliedern, vor allem den großen Unternehmen, die Möglichkeit, sich kartellrechtskonform in ganz Europa auszutauschen und zusammenzuarbeiten.“
Eine Genossenschaft sei für ihn das demokratischste Unternehmensmodell überhaupt, betont Klugow. „Da wir in unserer Satzung das genossenschaftliche Prinzip „one member – one vote“ verankert haben, sind alle Mitglieder gleichberechtigt. Eine potenzielle Unternehmensübernahme der IDunion SCE kann vollständig ausgeschlossen werden. Die Kontrolle haben immer unsere Mitglieder als genossenschaftliche Gemeinschaft.“
Darüber hinaus mache das genossenschaftliche Modell eine gut vernetzte, aktive und internationale Community möglich, die sich zum Nutzen jedes einzelnen Mitgliedes gemeinsam weiterentwickeln könne. „Auch deshalb ist die Genossenschaft für mich eine Unternehmensform, die die Zukunft gewinnen wird“, sagt Klugow.
Die Zukunftsvision von IDunion SCE
Die Genossenschaft IDunion ist laut Klugow außerdem ein interessantes Modell nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Wissenschaft und Forschung in diesem Bereich und für ganz Europa. Der Geschäftsleiter: „Die Teilnehmer des Forschungsprojekts IDunion, die zum großen Teil identisch mit unseren Mitgliedern sind, haben mit ihrer Arbeit eine Reputation aufgebaut, die uns den Zugang zu europäischen Forschungsprojekten ermöglicht.“
„Wirtschaftsunternehmen unterschiedlicher Größen arbeiten ja schon in unserem genossenschaftlichen Ökosystem erfolgreich zusammen“, so Klugow. „Durch die neue eIDAS Verordnung* tut sich in Europa derzeit sehr viel. Bei der Einbindung von digitalen Identitäten in Produkte und Services möchten wir gerne mit unserer genossenschaftlichen Governance und/oder unserer Infrastruktur bei vielen Anwendungsfällen dabei sein.“
Freuen würde sich Klugow auch sehr, wenn sich der Mitgliederkreis um staatliche Unternehmen erweitern würde und dadurch eine sogenannte Public Private Partnership in genossenschaftlichem Rahmen entstünde. „Diese Form der Zusammenarbeit nützt allen und entspricht unserem satzungsmäßigen Zweck der Mitgliederförderung: Unter einem, gemeinsamen Regelwerk schaffen die Mitglieder gemeinsam etwas, das allein so nicht gelingen könnte.“
*Die eIDAS -Verordnung der EU enthält verbindliche europaweit geltende Regelungen in den Bereichen "Elektronische Identifizierung" und "Elektronische Vertrauensdienste"