Herr Edelmann, welche kommunikativen Krisen gibt es in Unternehmen?
Wir unterscheiden in der Theorie zwischen der eruptiven, der periodischen und der schleichenden Krise. Jede Krisenart zeichnet sich dabei durch ihren Verlauf aus. Die eruptive Krise bspw. ist ein nicht vorhersehbares Ereignis, das massive Folgen für das Image eines Unternehmens hat und im schlimmsten Fall eine existenzbedrohende Wirkung entfalten kann. Ein Muster ist bei Krisen meist jedoch nicht zu sehen. Krisen sind mannigfaltig und in ihrem Entstehungsprozess inhomogen. Zwar kann ich mich als Unternehmen auf mögliche Krisenszenarien vorbereiten. Ich muss jedoch im Stande sein, jede Krisensituation zu antizipieren, die Gegebenheiten zu analysieren und meine Strategie entsprechend anzupassen. Vielen Unternehmen fehlt hier das notwendige Training bzw. die Vorbereitung, der es bedarf, um eine Krise ohne große Reputationsschäden zu bewerkstelligen. Der Grund dafür ist einfach: Wie auch im Privatleben versuchen wir auch im beruflichen Kontext, unangenehme Situationen oder Szenarien vor uns wegzuschieben, solange bis diese eintreffen. Im Kontext unternehmerischen Handels kann das aber fatal sein. Unternehmen sollten daher frühzeitig darüber nachdenken, auf Basis welcher schlagkräftigen Strukturen sie Krisen bewältigen können und welche Krisen für sie am wahrscheinlichsten sind.
Warum ist das so wichtig?
Aus meiner Praxiserfahrung weiß ich: Oftmals agieren die Unternehmen zu zögerlich. Sie warten ab, beobachten, aber agieren nicht. Dabei ist zu bedenken: Agieren bedeutet hier nicht zwingend eine öffentliche Reaktion vorzubereiten und zu publizieren. Sondern interne Krisenstrukturen zu schaffen, vorbereitende Kommunikationsmaßnahmen zu treffen, um dann schlagkräftig handeln zu können. Je nach Krisenfall ist eine schnelle Reaktion notwendig.
Es gibt aber auch Situationen, in denen ich die Zeit, die mir zur Verfügung steht, nutzen kann, um mir eine Strategie zurecht zu legen, die dafür erforderlichen Maßnahmen und Inhalte zu definieren, um dann bei Startschuss der Kommunikation vor die Krise zu kommen, statt ihr im Nachgang hinterherzulaufen. Nur wer in der Krise agiert und nicht reagiert, kann diese erfolgreich wuppen.
Wie meinen Sie das?
Meine Wahrnehmung ist, dass viele Unternehmen noch immer dem Irrglauben unterliegen, dass sie Krisen nicht treffen werden. Und in vielen Fällen gibt die Realität dieser Einschätzung auch recht. Wir erleben aber immer wieder Ausnahmen und wenn diese eintreten, ist der Reputationsverlust enorm. Durch eine geeignete präventive Kommunikation hätte der Druck aber in den meisten Fällen schneller abebben können.
Präventiv kommunizieren heißt dabei, dort aktiv zu sein, wo Meinung mittlerweile maßgeblich gebildet wird – nämlich in den sozialen Medien. Das ist so, als würden Sie einen Fluss mit einem immer höheren Damm zähmen wollen, anstatt im Quellgebiet Maßnahmen durchzuführen. Am Ende haben sie keine Chance, weil die Fließgeschwindigkeit immer größer wird und dann den Damm mit voller Wucht trifft und diesen am Ende zerstört.
Sie denken also, dass mehr aktive und präventive Kommunikation erforderlich ist.
Ja, das Internet bietet dafür doch die richtigen Kanäle, mit denen ich Millionen relevante Akteure aus Gesellschaft, Politik und Industrie gleichermaßen erreiche. Von LinkedIn über TikTok, Instagram oder Facebook – die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Auf diesen Kanälen muss auch die Sicht meines Betriebes, meiner Branche, wahrgenommen werden.
Aber wie soll das geleistet werden? Die Betriebe brauchen ihre Ressourcen für ihre eigentlichen Aufgaben.
Auch die Kommunikation ist eine eigentliche Aufgabe von Unternehmen in einer Informationsgesellschaft, ob wir wollen oder nicht. Sie prägt Reputation und ist zugleich Garant für die Licence to Operate. Also die gesellschaftliche Akzeptanz eines Unternehmens und teilweise gar einer ganzen Branche. Wenn ich nicht aktiv dafür arbeite, diese Akzeptanz aufrechtzuerhalten, muss ich mich längerfristig betrachtet nicht wundern, wenn ich als gesellschaftlich irrelevant eingestuft und mein Geschäft somit zerstört wird. Und zudem muss man sich klarmachen, dass dieses krisenpräventive Grundrauschen auch unentgeltliche Markenplatzierung bedeutet und damit einen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg leistet.
Ich verstehe aber auch die Sicht der Betriebe selbst, dass für Kommunikation kaum oder keine Kapazitäten vorhanden sind – gerade in einer Zeit, in der kanalspezifische Expertise bei Kommunikator*innen gefordert ist. Das ist gerade für kleine und mittlere Unternehmen schwer zu stemmen. Gerade diese Unternehmen können sich alternativ jedoch von Expert*innen bei der Entwicklung einer effizienten Kommunikationsstrategie beraten lassen und bei fehlenden Kapazitäten das absolut Erforderliche durch ein Outsourcing gewährleisten. Das passiert ja auch in anderen Unternehmensbereichen und in der Kommunikationsgesellschaft sollte das eine Selbstverständlichkeit sein, um Risiken zu begrenzen und Chancen zu nutzen.
Wenn Sie in Krisenfällen beraten: Wie gehen Sie da vor?
Ein Gros unserer Aufträge generieren wir durch unsere Ad hoc-Beratung. Das heißt, dass das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und wir dabei helfen sollen, es wieder herauszuholen. Das macht unsere Arbeit als Berater*innen natürlich nicht einfacher. Insbesondere dann, wenn Themen aufs Tableau kommen, in die wir uns einarbeiten müssen. Doch dafür sind wir da. Wir suchen relativ schnell den Schulterschluss mit der Entscheidungsebene einerseits und ggf. der fachlichen Ebene andererseits. Unsere Aufgabe ist dabei nicht nur geeignete Kommunikationsmaßnahmen und -inhalte zu entwickeln, sondern auch strategisch zu beraten. Es ist daher sinnvoll, wenn wir die relevanten Akteure aus unterschiedlichen Disziplinen an einen Tisch bekommen.
Unsere Stärke bei der AWADO ist aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Gesellschaften unserer Gruppe. Gerade in Krisen ist eine Zusammenarbeit mit Jurist*innen, die kommunikative Herausforderungen verstehen, erfolgskritisch. Und umgekehrt kann bei juristischen Themen die präventive Kommunikation eine wichtige Rolle spielen, um Reputationsschäden, Verunsicherung von Mitarbeiter*innen oder Investor*innen, Lieferant*innen und Kund*innen vorzubeugen.
Haben Sie ein recht plastisches Beispiel für eine Krise und wie Sie und die Kolleg*innen sie gelöst haben?
Ach, da gibt es viele: Metallsplitter in Lebensmitteln, kritische Filmaufnahmen aus Mastställen, staatsanwaltschaftliche Untersuchungen wegen doloser Handlungen von Mitarbeitenden oder eine BaFin-Intervention mit bundesweitem Medienecho. Vielleicht dieses: Während der Corona-Pandemie kam es bei Kund*innen unseres Hauses u. a. auch zu verstärkten sozialmedialen Scharmützeln mit der Querdenkerszene. Der dadurch entstandene Druck der Positionierung war für diejenigen, die es betraf, natürlich sehr groß. Leider sehen wir, dass kritische, hetzerische und eben auch verschwörungstheoretische Stimmen in den sozialen Medien oftmals überhandnehmen. Unternehmen, Organisationen, aber auch Personen des öffentlichen Lebens stehen dabei oft allein dar und müssen zusehen, wie sie mit der Welle an Emotionen, (Falsch-)Darstellungen und Behauptungen umgehen.
Gerade für Genossenschaften ist es hier besonders schwierig. Denn sie sind eine Organisationsform, die das demokratische Miteinander lebt. Es ist also ein Spagat: gegenzuhalten, ohne auszuschließen. Wir plädieren in unserer Beratung daher oftmals für eine transparente Kommunikation, die alle Zielgruppen einschließt und so auch einen Mobilisierungscharakter für diejenigen innehat, denen die genossenschaftliche Idee ein Anliegen ist. Während man in den meisten Fällen die Krisenkommunikation auf jenen Kanälen belässt und managt, auf denen sie stattfindet, haben wir hier bewusst neue, vor allem aber direkte Kommunikationskanäle erschlossen, um Mitglieder, aber auch Kund*innen zu informieren und dazu zu bewegen, klare Kante zu zeigen. Das Mittel der Wahl in diesen Fällen ist oftmals, die Gesellschaft einzuschließen und um Hilfe zu bitten, um Erfolg zu haben.