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Verpflichtende Forbearance-Prüfung bei Verbrauchern vor Zwangsvollstreckung

  • 05.01.2024
  • von Norbert Baumstark
  • Grundsatzblog

Ende 2023 hat der Gesetzgeber dem § 18a KWG einen Absatz 8b angefügt. Dieser enthält neue Anforderungen an Kreditinstitute beim Umgang mit Verbraucherkrediten. Nach § 18a Abs. 8b KWG müssen in einer Bank geeignete Strategien und Verfahren vorliegen, um – sofern angebracht – angemessene Nachsicht gegenüber dem Verbraucher walten zu lassen, bevor Zwangsvollstreckungsverfahren auf Grund eines Verbraucherdarlehensvertrags eingeleitet werden.

"Nachsicht walten lassen" ist dasselbe wie Forbearance. Die englische Fassung der diesem Gesetz zugrunde liegenden Richtlinie (EU) 2021/2167 verwendet hierfür auch den Begriff Forbearance; in der deutschen Fassung wird teilweise neben dem Begriff “Nachsicht” der Begriff “Stundung” verwendet.

Nachsicht ist Forbearance

Der weitere Gesetzestext enthält in § 18a Abs. 8b KWG insoweit größtenteils nichts Neues: “Die gegebenenfalls zu ergreifenden Maßnahmen müssen unter anderem den individuellen Umständen des jeweiligen Verbrauchers Rechnung tragen und können unter anderem Folgendes umfassen: eine vollständige oder anteilige Umschuldung des Darlehensvertrags oder eine Änderung der Bedingungen des Darlehensvertrags, die unter anderem Folgendes umfassen kann: eine Verlängerung der Laufzeit des Darlehensvertrags, eine Änderung der Art des Darlehensvertrags, einen Zahlungsaufschub für alle oder einen Teil der Rückzahlungsraten in einem bestimmten Zeitraum, eine Änderung des Zinssatzes, ein Angebot einer Zahlungsunterbrechung, Teilrückzahlungen, Währungsumrechnungen, einen Teilerlass und eine Schuldenkonsolidierung.” Das ist lediglich die Definition von Forbearance sowie eingangs ein Teil der Anforderungen an Forbearance.

Ergänzung für Immobiliar-Verbraucherdarlehen

Relevant ist jedoch die Ergänzung, dass bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag insbesondere die Frage zu berücksichtigen ist, ob der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag durch eine Wohnimmobilie besichert ist, bei der es sich um den Hauptwohnsitz des Verbrauchers handelt. Diese Formulierung ist enger als § 4 Abs. 2 ImmoKWPLV, der im Gesetzeswortlaut nicht zwischen Eigennutzung und Vermietung unterscheidet, sowie auch als die EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe und Überwachung in Tz. 109 und 112, welche der Nutzung durch den Kreditnehmer die Nutzung durch ein Familienmitglied gleichstellen.

Rechtsfolgen

Es handelt sich bei der Pflicht, zugunsten von Verbrauchern zu prüfen, ob Forbearance angebracht ist, um eine rein organisatorische Anforderung an die Kreditinstitute ohne drittschützende Wirkung. Ein individueller, subjektiver Anspruch des Kreditnehmers auf diese Prüfung, auf Nachsicht oder einzelne der genannten Maßnahmen ist damit nicht verbunden (Gesetzesentwurf, Drucksache 20/9093 vom 6. November 2023, S. 148). Es ist jedoch eine aufsichtsrechtlich relevante Pflicht, welche sowohl in der Jahresabschlussprüfung nach § 29 KWG als auch in der Prüfung der Aufsicht nach § 44 KWG Gegenstand sein wird.

Was ist zu tun?

Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei Verbraucherdarlehen entsprechende “Strategien und Verfahren” vorliegen müssen, die gewährleisten, dass – bevor aufgrund eines Verbraucherkreditvertrages die Zwangsvollstreckung in das Vermögen eingeleitet wird –, nachprüfbar dokumentiert geprüft wird, ob die Bank dem Kreditnehmer Forbearance gewähren will. “Strategien und Verfahren” (engl. “policies and procedures”) meint insbesondere Prozessvorgaben.

Quellen: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/411/VO, https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-f%C3%B6rderung-geordneter-kreditzweitm%C3%A4rkte-und-zur-umsetzung-der-richtlinie/304774, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2023/10/2023-10-11-gesetzentwurf-foerderung-kreditzweitmaerkte.html

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Maximilian Vetter

Abteilungsleiter
Fachlicher Leiter Kreditmanagement

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