Ist Landwirtschaft in Deutschland und explizit in Niedersachsen noch gewollt? Wie soll der Umbau der Tierhaltung finanziert werden, wenn nicht vom Verbraucher? Verschwindet die Kartoffel bald aus dem „Kartoffel“-Land Niedersachsen? Die Fragen der Branche und der „Politik trifft Praxis“-Teilnehmer sind durchaus emotional.
Kürzlich trafen sich Genossenschaftsvertreter von acht landwirtschaftlichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften mit Miriam Staudte (SPD), Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Niedersachsen. Der Austausch, bei dem der Name seit jeher Programm ist, fand in Niedersachsen erstmalig mit Ministerin Staudte statt.
Auf der Tagesordnung standen neben dem Bürokratieabbau und dem angekündigten Agrarstrukturgesetz, die Planungs- und Investitionssicherheit, die im EU-Vergleich nachteiligen Produktionsbedingungen in Deutschland und sich daraus ergebende Marktverschiebungen, die Moorvernässung und der Kartoffelanbau, wobei der zentrale Punkt sicherlich die fehlende Planungssicherheit in der Branche war.
Die Teilnehmer waren sich einig, dass insbesondere die Tierhaltung unter großer Ungewissheit leidet und Betriebe Investitionen zurückhalten oder sich beispielsweise ganz aus der Schweinehaltung zurückziehen. Ohne mittel- bis langfristige Planungssicherheit scheuen insbesondere junge Landwirte Investitionen in Stallneu- beziehungsweise Umbauten.
Im Hinblick auf den Generationswechsel in der Branche und die wachsenden Anforderungen an die Einzelbetriebe, wurde die Möglichkeit der Betriebszusammenführungen im Rahmen von Agrargenossenschaften diskutiert. Der Genoverband hat jüngst zwei solcher Gründungen in Niedersachsen begleitet. Das Potential dieser Rechtsform kann in der Transformation der Branche ein wirksames Mittel gegen das Höfesterben sein.
Ein Genossenschaftsvertreter aus dem Bereich der Viehvermarktung brachte den Wunsch nach einer Unterstützung bei dem Umbau der Tierhaltung durch die Politik zur Sprache. Das Consumer-Citizen-Gap, sprich die Differenz der Einstellung der Bürger zu ihrem Verhalten als Konsument, könne die Fleischbranche nicht allein schultern: Der Konsument trifft jeden Tag an der Fleischtheke jene Entscheidungen, die die Politik zu beeinflussen versucht. Lösung dafür könne nur sein, ein Bewusstsein beim Verbraucher zu schaffen.
Auch in der Kartoffelproduktion treiben die niedersächsischen Betriebe Sorgen um. Die sinkende Anzahl an zulässigen Pflanzenschutzmitteln fördere Resistenzen, kombiniert mit dem Klimawandel droht dies den Kartoffelanbau im Bundesland langfristig unmöglich zu machen.
Ideen zur Moorvernässung, der dringend nötige Bürokratieabbau sowie die verschiedenen Ansätze zur Notwendigkeit eines Agrarstrukturgesetzes wurden ebenfalls lebhaft diskutiert.
Trotz der naturgemäß unterschiedlichen Positionen war es ein konstruktiver Austausch, bei dem es den Teilnehmern gelang, die Relevanz und Bedeutung von ländlichen Genossenschaften und deren Förderung für das Agrarland Niedersachsen zu verdeutlichen. Die Fortsetzung des Austauschs von Ministerin Staudte und den Genossenschaftsvertretern wurde für das Folgejahr bereits vereinbart.
Die Veranstaltungsreihe „Politik trifft Praxis“ des Genoverbands ermöglicht seit mittlerweile neun Jahren einen regelmäßigen Austausch zwischen politischen Entscheiderinnen und Entscheidern und einem ausgewählten Kreis von Genossenschaftsvertreterinnen und -vertretern.