Frankfurt. Bezahlbarer Wohnraum, klimafreundliche Energie, flächendeckende medizinische Versorgung sowie soziales Miteinander auf dem Lande: Diese Themen brennen vielen Bürger*innen auf der Seele. Deshalb gründen immer mehr Menschen in Deutschland Genossenschaften. 32 waren es bis September 2023 unter dem Dach des Genossenschaftsverbandes – Verband der Regionen e. V., 22 von ihnen wurden inzwischen auch offiziell in das Genossenschaftsregister aufgenommen, zehn warten noch auf ihre Eintragung. Bei den Neugründungen ging der Trend wie auch schon im Vorjahr zu Energiegenossenschaften (59,4 %), gefolgt von Wohnungsgenossenschaften sowie Dorfläden und -cafés (jeweils 6,3 %). Besonders gründungsfreudig waren Menschen aus Nordrhein-Westfalen. Hier sind rund 44 % (14 Genossenschaften) aller genossenschaftlichen Neugründungen in diesem Jahr entstanden, gefolgt von Hessen mit 12,5 % (vier Genossenschaften).
„Diese neu gegründeten Genossenschaften sind erfolgreiche Vor-Ort-Lösungen für viele Herausforderungen unserer Gesellschaft. Mit diesen Genossenschaften haben Bürger*innen, Unternehmen und Kommunen gemeinsam und unternehmerisch Wege gefunden, um drängende Probleme wie die flächendeckende ärztliche Versorgung, bezahlbares Wohnen oder den Ausbau regenerativer Energien in ihrer Region nachhaltig zu ermöglichen“, betont Peter Götz, Vorstandsmitglied des Genossenschaftsverbandes – Verband der Regionen e. V. Dabei würden oft die Volksbanken und Raiffeisenbanken die Initialzündung geben und die Kredite bereitstellen.
Renner unter den genossenschaftlichen Neugründungen sind nach wie vor die Energiegenossenschaften: 19 sind allein schon in diesem Jahr mit Hilfe des Genossenschaftsverbandes aus der Taufe gehoben worden. Immer stärker entstehen Initiativen von Bürger*innen, Kommunen und Unternehmen, die nicht mehr auf die Energiewende warten wollen, sondern sie entschlossen selbst in die Hand nehmen. 376 Energiegenossenschaften, die Solar- beziehungsweise Windenergie erzeugen oder in Wärmenetze, CO 2-freie Mobilität und zukünftig auch in Wasserstoff investieren wollen, hat der Genossenschaftsverband über die Jahre mitgegründet und prüft und betreut sie seitdem. Dabei unterstützen die Verbands-Expert*innen bei der Entwicklung der Gründungsvorhaben, der Satzungen wie auch der Businesspläne. Bundesweit investierten Energiegenossenschaften seit 2003 bereits rund 3,4 Milliarden Euro in erneuerbare Energien vor Ort.
Ein Gründungsbeispiel ist hier die BEH Bürgerenergie Hemmerden eG in Nordrhein-Westfalen. Diese wurde von 21 Bürger*innen im November 2022 in dem 2.700-Einwohner-Dorf Hemmerden, einem Ortsteil von Grevenbroich, gegründet. Inzwischen ist die Zahl der Mitglieder auf rund 400 angewachsen. Ziel ist es, unter finanzieller Beteiligung der Bürger*innen den Ort mit grünem und preiswertem Strom, Wärme und Mobilität zu versorgen. So ist unter anderem ein großer Solarpark an der Autobahn 46 mit rund 3,5 Megawatt Leistung sowie die Produktion von Wasserstoff geplant, den Busse, Lkw oder Autos an den Vierwinden-Raststätten tanken können. Die Genossenschaft will darüber hinaus auch prüfen, wie Hemmerden mit Hilfe von Bio-Abfall auch wärmetechnisch autark gemacht werden kann.
Ein weiteres Gründungsbeispiel ist die Hausärztliche Versorgung PLUS eG in Nordrhein-Westfalen.
Auch die hausärztlichen Versorgungsstrukturen im ländlichen Raum sind vielen Bürger*innen und Kommunen ein großes Anliegen. Mit der Hausärztlichen Versorgung PLUS mit Sitz in Köln ist eine Genossenschaft entstanden, die eine wohnortnahe, qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für die Menschen in der Region anbieten will. So sollen hier Hausarztpraxen, für die keine Nachfolge gefunden werden kann, in unterversorgten oder davon bedrohten Gebieten von der Genossenschaft übernommen werden. Anschließend ist geplant, die Praxen in verschiedenen Kooperationsformen zu einem medizinischen Versorgungszentrum in der jeweiligen Region zusammenzuschließen.
Insgesamt gibt es inzwischen über 100 Gesundheitsgenossenschaften unter dem Dach des Verbandes. Darunter auch eine Reihe von Ärztegenossenschaften. Ihre Geschäftsmodelle sind vielfältig und reichen von gemeinsam genutzten Räumen über Gemeinschaftspraxen bis zur kooperativen Hospiz- und Notarztversorgung.