Erstmals seit 2019 findet die Mitgliederversammlung des Verbandes wieder in Präsenz statt. Die dort präsentierte Trendstudie des Zukunftsinstituts „Aufbruch in die WIR-Ökonomie“ zeigt, warum die Antworten auf die Megatrends unserer Zeit für den ländlichen Raum in Genossenschaften liegen.
„Megatrends sind die Blockbuster des Wandels, sie haben epochalen Charakter und formen nicht nur einzelne Branchen oder Sektoren um, sondern ganze Gesellschaften“, sagt Dr. Daniel Dettling, Studienautor beim Zukunftsinstitut. Für den ländlichen Raum sind Neo-Ökologie, Mobilität, Konnektivität und New Work, Silver Society und Gesundheit, Globalisierung und Urbanisierung sowie Individualisierung die Haupttreiber für die kommenden Jahre und Jahrzehnte.
Neue Formen von Wohnen, Arbeiten und Mobilität als Chance für regionale Wertschöpfung
Daraus geben sich neue Fragen und Formen des Wohnens, Arbeitens und der Mobilität – im ländlichen und urbanen Raum. Der Umgang mit diesen Themen schafft nicht nur Herausforderungen, sondern vor allem Gestaltungsraum und neue Chancen für die regionale Wertschöpfung.
Wer profitieren will, muss jetzt handeln. „Genossenschaften kommen schnell vom Wollen ins Machen,“ sagt Ingmar Rega, Vorstandsvorsitzender beim Genossenschaftsverband – Verband der Regionen, der die Studie beauftragt hat. In Kooperation von Kommunen, Unternehmen und Bürger*innen kann man seine Region gestalten und gemeinsam Angebote schaffen, die die Lebensqualität erhöhen. Keine andere Organisationsform ist dafür so prädestiniert wie die Genossenschaft, resümiert die Studie.
Hipp und innovativ: Genossenschaften sind Netzwerkknoten und erhöhen Standortattraktivität
Die Corona-Pandemie hat bestehende Entwicklungen nochmals verstärkt. Home-Office ermöglicht beispielsweise weiteren Bevölkerungsgruppen ein Leben abseits der Städte. Auf diesen Run ist der ländliche Raum nicht vorbereitet. Die nötigen Investitionen in Standortattraktivität um dieses Momentum zu nutzen, kann kaum eine Gemeinde alleine stemmen. Durch die Megatrends ergeben sich viele neue Perspektiven für Netzwerke und Dienstleistungen.
„Während Co-Working auf dem Land vor wenigen Jahren nicht vorstellbar war, ist es nun hipp und innovativ“, so Rega und verweist auf eine erfolgreiche Genossenschaft in Schleswig-Holstein. Die Idee hat es daher in das Wahlprogramm der Grünen in NRW geschafft. Das ist ein Beispiel. Damit es möglichst viele davon gibt und sich Nachahmer finden, braucht es sogenannte Konnektoren, sprich: Netzwerker*innen und Möglichmacher*innen. Diese Rolle sieht die Studie bei den regionalen Genossenschaftsbanken – als Dienstleister der Region und Netzwerkknoten. Sie stellen Verbindungen her, finanzieren Initiativen, unterstützen Genossenschaftsgründungen und beteiligen sich.
Passendes Modell der Wir-Wirtschaft
Genossenschaften kommen dann ins Spiel, wenn es um die Stärkung der Region, basisdemokratische Themen und um Menschen geht, die partizipieren und mitarbeiten wollen, analysiert der Autor der Studie. „Viele kommunale Themen suchen für eine dauerhafte Umsetzung nach einem passenden Modell, das es Bürger*innen auf einfache Weise ermöglicht, sich zu beteiligen. Hier sehen wir optimale Bedingungen für die neue WIR-Ökonomie“, so Dr. Dettling.
Chronisch finanzschwache Kommunen werden entlastet, wenn Genossenschaften z.B. das Nahwärmenetz betreiben oder andere Aspekte der klassischen Daseinsvorsorge abdecken. Ein aktuelles Beispiel sind Genossenschaften im Ahrtal, die nach der Hochwasserflut Infrastrukturen wie das Nahwärmenetz wiederaufbauen.
Energieerzeugung vor Ort in Genossenschaften erfährt nicht zuletzt vor dem Hintergrund internationaler Krisen einen großen Zuspruch. Die Wünsche nach Autonomie von globaler Zulieferung und Einbindung in die Umsetzung, um hohe Akzeptanz zu erreichen, sind hier die Hauptmotive.
Nahversorgung und Landwirtschaft sind sehr vielschichtig. Regionalität, Nachhaltigkeit, transparente Lieferketten und faire Erzeugung haben für viele Menschen eine sehr große Priorität. Das bietet große Chancen für regionale Vermarktung und damit für Genossenschaften. Durch Kooperation entstehen Netzwerke, erhöhen soziale Interaktion und den Willen, die Lebensqualität vor Ort zu gestalten.
Purpose und Profit – in Genossenschaften geht beides zusammen
„Das Zukunftsinstitut sieht Genossenschaften als zentrale Treiber einer nachhaltigen, solidarischen und regionalen Wirtschaft. Die darin liegenden Chancen gilt es, noch bekannter zu machen“, sagt Ingmar Rega, Vorstandsvorsitzender des Verbandes. „Kooperation ist dabei nicht auf den ländlichen Raum begrenzt. Wir sprechen in Politik und Gesellschaft viel über neue Formen des Wirtschaftens: Purpose, Sharing-Economy und Gemeinwohlorientierung. Unternehmen, die rein profitorientiert agieren, werden zunehmend kritisch gesehen. Die Studie bringt auf den Punkt, was Genossenschaft ausmacht: Private Unternehmen definieren ihren Erfolg über den Gewinn, gemeinwohlorientierte Unternehmen über ihren Sinn. Für Genossenschaften gehört beides zusammen: Purpose and Profit.“
Mit ihren Prinzipien und Werten stehen sie für praktizierte Wirtschaftsdemokratie, bei gleichzeitig unternehmerischen und betriebswirtschaftlichen Zielen. „Mit der Philosophie der Nutzen- statt Gewinnmaximierung steht das Genossenschaftswesen für einen dritten Pfad jenseits von Markt und Staat. Sie überwinden falsche Gegensätze von Individualismus oder Gemeinschaft bzw. Eigennutz oder Solidarität und global oder lokal und praktizieren den ‚kooperativen Individualismus‘ als Zukunftsstrategie“, sagt Dettling.
Umfragen belegen große Zustimmung zu Genossenschaften
Dass die genossenschaftliche Idee auf große Resonanz stößt, zeigen jüngste Umfragen. Eine große Mehrheit denkt positiv über Genossenschaften als Akteur und Treiber einer nachhaltigen, solidarischen und effizienten Wirtschaft. Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) sehen in Genossenschaften eine Unternehmensform mit Zukunftspotenzial, drei Viertel (76 Prozent) sehen in ihnen sogar einen zentralen Problemlöser für die Gesellschaft. Mehr als 80 Prozent (84 Prozent) sind der Auffassung, dass Regionen attraktiver werden, wenn sich die Bürger vor Ort stärker engagieren (Details der YouGov-Umfrage finden Sie hier).
Zur Trendstudie
Die Trendstudie „Aufbruch in die WIR-Ökonomie – Perspektiven, Potenziale und Pioniere – Zur Zukunft von Genossenschaften“ hat das Zukunftsinstitut in Zusammenarbeit mit dem Genossenschaftsverband – Verband der Regionen erstellt und heute im Rahmen des Verbandstags in Frankfurt am Main vorgestellt. Im Rahmen der Studie hat das Zukunftsinstitut Genossenschaften interviewt, die als Pioniere den Wandel früher spüren als andere, ihn aktiv gestalten und bereits neue Geschäftsfelder entwickeln.