- Große Herausforderung Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz in Einklang zu bringen
- 98 Prozent der Befragten fehlt konkrete Unterstützung der Politik bei der Weiterentwicklung ihrer Betriebe
- Nur sechs Prozent der Agrargenossenschaften rechnen 2024 mit Wachstum
- 80 Prozent der Agrargenossenschaften sehen Beruf des Landwirts in Gefahr
BERLIN, 15.02.2024 –
Landwirtinnen und Landwirte aus ganz Deutschland sind in den vergangenen Wochen und Monaten auf die Straße gegangen. Doch auch nach den Protestaktionen bleibt die Branche skeptisch, wie die jüngste Umfrage des Genoverband e.V. unter Agrargenossenschaften zeigt. Die Betriebe sind transformationswillig, aber ohne langfristigen politischen Rückhalt bröckeln die Zukunftsaussichten.
Nicht nur der Bundeshaushalt 2024 führt zu Kritik und Unmut in der Landwirtschaft. So sind 93 Prozent der befragten Agrargenossenschaften auch mit der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union auf Bundesebene "vollkommen" oder "eher" unzufrieden. Auf Landesebene ist die Unzufriedenheit mit 89% nur unwesentlich geringer.
„Das ist eine deutliche Ohrfeige für die Bundes- und Landespolitik! Die Bürokratie hat überhandgenommen, sodass die Betriebe immer weniger Zeit für ihre eigentliche Arbeit und die Zukunftsentwicklung haben“, sagt Genoverband-Vorstand Marco Schulz. „Auch die Verwaltung ist überfordert. Das Land Sachsen schafft es beispielsweise nicht mehr, die GAP-Zahlungen an die Betriebe rechtzeitig zu leisten“, ergänzt Schulz.
Die Landwirtschaft stünde vor einem großen Wandel und müsste sich den Anforderungen von Politik, Verbrauchern, Gesellschaft, Handelspartnern und verarbeitender Industrie zeitnah anpassen. Dies wie auch der zunehmende bürokratische Aufwand stelle die Betriebe vor enorme Herausforderungen. Für die Transformation der Landwirtschaft, so Schulz, seien Rahmenbedingen und wirtschaftliche Erfolgsaussichten nötig und damit Zeit und Geld.
Nach der Verbandsumfrage ist es für rund 90 Prozent der befragten Agrargenossenschaften schwierig, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz in der Tierhaltung und der Pflanzenproduktion miteinander zu vereinbaren (Tierhaltung: 61 Prozent sehr herausfordernd, 28 Prozent eher herausfordernd; Pflanzenproduktion: 46 Prozent, 44 Prozent eher herausfordernd). Bei der (Weiter-)Entwicklung des Betriebs, zum Beispiel bei Maßnahmen zur CO2-Reduzierung oder zur Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten, fühlen sich sogar 98 Prozent der befragten Agrargenossenschaften „ganz und gar nicht“ oder „eher weniger“ von der Landwirtschaftspolitik unterstützt. Der überwiegende Teil der Teilnehmenden sieht überdies den gesamten Berufsstand in Gefahr (50% „trifft voll und ganz zu“, 30% „trifft eher zu“).
„Das ist ein eindeutiges Alarmsignal! Die Politikerinnen und Politiker, die über Zukunftsaussichten und Unterstützung der heimischen Landwirtschaft sprechen, sollten sich fragen, warum bei den Betrieben keine Angebote ankommen“, so Genoverband-Vorstand Schulz.
Die mangelnde Unterstützung und Unzufriedenheit, die die große Mehrheit der teilnehmenden Agrargenossenschaften auch bei den Bauernprotesten kritisierten, spiegelt sich deutlich in der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung der Agrargenossenschaften wider: So gehen 34 Prozent der Betriebe von einem Rückgang aus, weitere 59 Prozent sehen maximal eine Stagnation bei der Entwicklung im Jahr 2024, nur 6 Prozent rechnen mit einem Wachstum.
„Die Agrargenossenschaften zählen mit einem aktuellen Umsatz in Höhe von rund 2,9 Mrd. Euro und mehr als 20.000 Mitarbeitenden zu den bedeutendsten Arbeitgebern in den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands“, betont Schulz. „Doch von der Politik allein gelassen, schwindet der Branche zunehmend die Perspektive.“
Weitere Umfrageergebnisse zeigen, dass die Agrargenossenschaften sich zurzeit darauf konzentrieren, wirtschaftliche Stabilität zu erreichen. Sie setzen 2024 auf Instandhaltung und Ersatzinvestitionen. Neuinvestitionen planen die Branchenvertreter vor allem in Bodenkäufe (49 Prozent). Dem stehen die Pläne der Bundesländer Thüringen, Sachsen und Brandenburg entgegen, den Bodenmarkt durch Agrarstrukturgesetze weiter zu reglementieren. Hierdurch sehen sich die Agrargenossenschaften durch die Missachtung der besonderen Mitgliederstruktur deutlich benachteiligt. (Siehe auch die Stellungnahmen des Genoverbandes. Mehr dazu finden Sie hier.)
Die bundesweiten Bauernproteste der vergangenen Wochen bescherten den Branchenvertretern eine breite Medienpräsenz. Die erhoffte Kehrtwende der Bundesregierung sehen die Agrargenossenschaften in Bezug auf die Agrardieselrückerstattungen jedoch nicht erreicht. Mit dem jüngsten Kompromissangebot der Bunderegierung, welches zwar nicht mehr die geplante Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung enthält, aber weiter an der stufenweisen Streichung der Agrardieselrückerstattungen bis 2026 festhält, sind 95% der Befragten unzufrieden.
Quelle: Der Genoverband e.V. hat in einem Zeitraum vom 25.01.2024 bis zum 12.02.2024 eine Befragung unter den Mitgliedern der Fachvereinigung Agrargenossenschaften durchgeführt. An der Umfrage haben sich insgesamt 111 Agrargenossenschaften von knapp 500 Agrargenossenschaften beteiligt.
Als Genoverband e.V. vertreten wir aus der Landwirtschaft über 500 Agrargenossenschaften und mehr als 400 landwirtschaftlichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften.
Die Agrargenossenschaften prägen als Mehrfamilienbetriebe die Landwirtschaft in Ostdeutschland maßgeblich. Über 19.000 landwirtschaftliche Mitglieder sind als Mitunternehmer. Sie bieten vielen Mitgliedern und Beschäftigten einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz und leisten einen entscheidenden Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der ländlichen Räume.